Benjamin Weiß

Rihlat al alf mil tabda bikatwa- Eine Reise von Tausend Meilen fängt mit dem ersten Schritt an

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Es weht immer eine Brise Meeresluft durch die Gassen von Sidi Bouzid. An den Wänden der bekannten weiß-blauen Häusern wachsen bunte Blumen. Im Zentrum versammeln sich viele Menschen, gewöhnlich um die Mittagszeit, in den dutzenden Cafés. Hier wird sich mit Gesprächen oder einer Partie Mühle die Zeit vertrieben. In dieser touristischen Idylle beschließt der 26-jährige Mohamed Bouazizi sich mit Benzin in Brand zu setzen. Die Polizei beschlagnahmte in den vorherigen Monaten häufiger seinen Gemüsewagen. Seine einzige Einnahmequelle. Geld gab er ihnen nicht. Daraufhin misshandelten sie ihn.

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Mohamed Bouazizi sah keinen Ausweg mehr. Die Geschichte des jungen Gemüsehändlers aus Sidi Bouzid passt so gar nicht in das Bild  des Reiseziels Tunesien. Unsere stetig in der Top Fünf rangierender Urlaubsort zeigt uns in diesen Tagen, dass wir so gut wie nichts über die Zustände dort wissen.  Galt das Land überwiegend als modern, so wissen wir spätestens jetzt, dass Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung waren. Wurde in der Vergangenheit Tunesien als offen und liberal bezeichnet, so wissen wir, dass wir es schon seit geraumer Zeit mit einem Militärregime zu tun hatten. Dieses Eingeständnis fällt zumindest auf europäischer Ebene nicht leicht. So wurden gerade mit den nordafrikanischen Ländern enge Handelsbeziehungen gepflegt. Diese sind elementar auch für das wirtschaftliche Wachstum dieser Länder.

Doch bei der Generation von Mohamed Bouazizi spürte man nie etwas von einem Aufschwung. Es bleibt diesen jungen Menschen nicht viel, als sich mit Gelegenheitsarbeit durchzuschlagen. Als ich mich vor zwei Jahren, bei meinem letzten Besuch, mit einem Gemüsehändler in meinem Alter unterhielt, so sagte er, dass man nicht viel brauche, um einen Laden zu eröffnen. „Ein Bild von Ben Ali in der Fensterfront oder auf dem Tresen reicht völlig aus,“ gab er an. Das wolle er nicht tun und deswegen fährt er jetzt mit dem Gemüsewagen durch die Gegend.

Mohamed Bouazizi steht für eine Generation, die Erneuerung will. Sie ist geprägt von staatlicher Repression, medialer Zensur und sozialer Ungerechtigkeit. Hoffnungslosigkeit war der ewige Begleiter der jungen Menschen in Nordafrika. Jetzt haben sie beschlossen ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Tunis, Algier und auch Rhabbat liegen rund zwei Flugstunden vom Frankfurter Flughafen entfernt. Doch lagen diese Länder bisher in unserer Wahrnehmung weit weg. Die heranwachsende Generation Nordafrikas macht sich auf den Weg an ihren Bedingungen etwas zu ändern. Damit ist sie uns näher, als bisher vermutet.

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