Benjamin Weiß

Benjamin boxt im Dicken Busch in Rüsselsheim

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Angespannte Ruhe vor dem Trainingsraum. Jeder ist für sich, niemand redet miteinander. Liegt das daran, dass ein Neuer heute hier ist? Oder ist es immer so ruhig? Ich kann es nicht sagen. Es scheint so, als ob jeder einzelne vor dem Training nochmal in sich geht.

Im Inneren der Großsporthalle in Rüsselsheim sieht es so, wie ich mir die Bauten in der Sowjetunion immer vorgestellt habe. Da passt es geradezu, dass der Boxtrainer einen russischen Akzent hat. Er schließt uns auf, wir ziehen uns um. Alles läuft geräuschlos ab. Nur selten wird miteinander gesprochen.

Danach schnappt sich jeder ein Seil. Wir machen uns warm. Noch erkennt der Boxtrainer mich nicht wirklich als Teil der Gruppe an. Jedenfalls ignoriert er mich stetig. Vielleicht verlangt er aber auch Eigeninitiative von mir, vielleicht soll ich ihm zeigen, dass ich es wirklich ernst mit dem Training meine. Ernst geht es hier alle mal zu. Zum Warmlaufen gibt es drei Einheiten, die immer mit fünf Minuten Seilspringen beginnen und enden. Mal langsam, mal etwas schneller. Zwischendrin gibt es Liegestützen, Burpees, Sit-Ups. Dazu noch Hampelmänner und Koordinationsübungen. Mein Shirt ist jetzt schon nass.

Beim Boxen geht es um Rhythmus, darum den Takt zu halten. Es erfordert ein hohes Maß an Konzentration, das zeigen die ersten Boxübungen. Es hat auch geradezu etwas meditatives. Jeder ist für sich, niemand redet, das geht auch gar nicht, für die Disziplin sorgt unser Trainer.

Mittlerweile habe ich soviel Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt, dass es mir zumindest meine Boxnachbarn abnehmen, dass ich heute etwas mitnehmen will. Sie geben mir Tipps, zeigen mir wie ich stehen und boxen soll. Ich stelle zum ersten Mal fest, dass ich hier offenbar alle mit Namen kennen. In dieser Boxstunde gibt es keinen Peter, Jonas oder Malte. Hier haben alle einen Migrationshintergrund. Ich nehme auch an, dass viele aus der Gegend sind. Der Dicke Busch in Rüsselsheim zählt zu den sozialen Brennpunkten der Stadt. Umso wichtiger, dass es hier eine Großsporthalle gibt, die Sportarten wie Boxen anbietet.

Bei diesem Sport geht es nicht ums draufhauen. Es geht darum, wie Du stehst, wie du dich vorwärts bewegst, wie du in Deckung gehst und vor allem, wie du alles miteinander kombinierst. Ich merke, wie blöd es war, als ich Charly Graf fragte, ob er den Kids in Waldhof nicht die Handlungsanleitung für die nächste Schlägerei liefere.

Später spielen wir Sitzrugby mit einem Medizinball im Ring. Ich gebe zu, dass ich etwas Respekt hatte, kapitulieren wollte ich jedoch nicht. Die letzte Übung waren Klimmzüge. Kevin, der von der Gruppe nun von allen als „größter Lauch“ gilt, soll den Anfang machen. Nun lachen wir viel, selbst der Trainer war zu Scherzen aufgelegt. Ich werde öfter hingehen.

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